20/09/2014
Weltwärtsbericht
Nummer 4
von
Nicole Schischke
Muli bwanji!
Ganz ungewohnt sitze ich gerade nicht in der Sonne oder an einem
warmen, roterdigen Ort auf dem afrikanischem Kontinent, sondern im
herbstlichen Deutschland, wo ich nun schon seit ca. 1 1/2 Monaten
wieder lebe.
Die letzten
drei Monate in Malawi habe ich als sehr intensiv erlebt, da der
Abscheid immer näher gerückt ist und somit auch das Verlangen noch
möglichst viel zu sehen und zu erleben.
Wie bei uns
wird auch in Malawi in dieser Jahreszeit gerne geheiratet, so hatte
ich die Möglichkeit einen ''Bridal Shower'' und eine Hochzeit zu
sehen. Der Bridal Shower findet einige Tage vor der Hochzeit statt
und auf dem, auf dem ich war wurden die Gäste in eine große Halle
eingeladen. Das Brautpaar saß mit den Trauzeugen und Mädchen, die
während der Feier getanzt haben erhöht auf einer Bühne. Dann wurde
getanzt, Geld für das Brautpaar gesammelt und dem Brautpaar wurden
von verschiedenen Leuten, u.a. Eltern, Tipps für eine gelungene Ehe
gegeben, was ich sehr schön fand. Die Woche darauf fand die Hochzeit
statt. Besonders gut gefiel mir der Einzug in die Kirche, da der
Bräutigam mit seinem Vater am Altar stand und aus dem hinteren
Bereich der Kirche eine Reihe Leute kam: Dem ca. 5 jährigen Jungen
mit dem Anzug und der Bibel in der Hand folgten 4 sehr, sehr bunt
angezogene Brautjungfern (knallgeld und knallblaue Kleider) und
anschließend die Braut in einem wunderschönen, langen, weißen
Kleid, ihr Blumenmädchen und ihre Mutter. Wie es in Malawi üblich
ist, tanzte die Braut beim Einzug und der Bräutigam tanzte von dem
Altar aus ebenfalls auf die zu. So trafen sich beide in der Mitte wo
sie jeweils von ihren Eltern an den zukünftigen Ehepartner
''abgegeben'' wurden. Von der Mitte der Kirche aus gingen sie nun als
Paar zum Altar. Diese Tradition finde ich sehr interessant und
ausdrucksstark!
Ein weiteres
Ereignis, welches ich mit der Kirche verbinde, war das Chorfestival
bei dem viele Chöre unserer Gemeinde gegeneinander angetreten sind.
Die Chöre haben jeweilis die gleichen 3 Lieder in allen möglichen
Variationen und mit ganz verschiedenen Tänzen getanzt. Es war schön
zu sehen, wie kreativ die Gruppen da geworden sind und wie viel Spaß
sie daran hatten. Ich habe mich besonders gefreut, meine
Projektpartnerin Anne mit ihrem Chor auftreten zu sehen, bei dem auch
einige Lehrer dabei sind. Als die Jury genau diesen Chor auch noch
als Gewinner auserkoren hat, war ich noch glücklicher!! Nun geht es
für den Chor in die nächstgrößere Stadt Kasungu und wenn sie es
dort schaffen immer weiter auf, bis zum Finale in Lilongwe, der
Hauptstadt. Das wird einige Zeit dauern, aber ich hoffe unser Chor
aus Madisi gewinnt den Wettbewerb, da sie es so hart wie sie immer
üben (neben der Arbeit her) wirklich verdient haben.
All diese
zuvor genannten Ereignisse fanden natürlich an Wochenenden statt und
waren sehr schön. Meine Lieblingstage sind jedoch immer die
Wochentage mit den Kinder in der Schule. Es ist wirklich wahr: Wenn
man eine Arbeit hat, die einem Spaß macht, arbeitet man keinen
einzigen Tag im Leben. Und so ging es mir das Jahr über in Malawi!
In den letzten Monaten habe ich vorallem viel Praktisches mit den
Kindern gemacht.
Zunächst
einmal hatten wir das Thema “Nähen” im Expressive Arts
Unterricht. Es sollten T-Shirts genäht werden, was bei 80 Kindern
nicht möglich ist, da es an Material für diese T-Shirts mangelt.
Ich habe von meiner Vorgängerin erfahren, dass sie Etuis mit den
Kindern genäht hat und dachte mit, dass dies eine sehr gute Idee
sei, die sich auch in meiner Klasse umsetzen ließe. Es hat den
Kindern sehr großen Spaß gemacht, sich Etuis für ihre Stifte zu
nähen und es ist unglaublich wie konzentriert sie beim Handarbeiten
sind. So still wie beim Nähen habe ich meine Klasse noch nie zuvor
erlebt! Natürlich wollten auch alle Kinder ihr Etuis benotet haben,
was nicht sehr leicht war, da wirklich alle Etuis gut gelungen sind.
Mich
hat es sehr gefreut zu sehen, wie interessiert die Kinder am Nähen
sind und wie sie sich bemühen es gut zu machen. Also bin ich zu der
Schulleiterin gegangen, habe nach Material gefragt und die Kinder,
die ihre Nähfähigkeiten ausbauen wollten, dazu eingeladen,
nachmittags Schultaschen in Form von Jutebeuteln zu nähen. Mit ca.
20 Kindern habe ich mich dann eine Woche lang nachmittags von ca. 14
Uhr bis 17 Uhr getroffen, um Taschen zu nähen. Es war unglaublich
schön, noch einmal außerhalb des Unterrichts Zeit mit den Kindern
zu verbringen. Da es so eine kleine Gruppe war, war es weniger
Unterricht, sondern mehr ein Treffen unter Freunden, bei dem wir
rumblödeln und uns allerlei Geschichten aus dem Alltag erzählen
konnten. Durch die ganzen Quasselein und Rumalbereien hat es dann
zwar länger mit dem Nähen gedauert, aber so lange alle Spaß hatten
und die Taschen am Ende doch fertig geworden sind, gibt es Nichts,
worüber man sich beschweren könnte. Ich habe das Gefühl, dass die
Nachmittagsbeschäftigungen den Kindern auch deshalb viel bringen,
weil sie die Kinder untereinander zusammenschweißen und sich gute
Freundschaften bilden, was mir auch besonders bei dem Nähen
aufgefallen ist. Für mich war es eine gute Möglichkeit mit den
Kinder, die im Unterricht etwas stiller sind ins Gespräch zu kommen
und sie besser kennenzulernen und verstehen lernen.
Neben
der Aktion mit dem Nähen, habe ich einige der Kinder auch
nachmittags in der Bücherei oder beim “Dancing Club”, der Tanz
AG, gesehen. Alle zusammen habe ich sie dann noch einmal zwei Tage
vor den Ferien zusammengerufen, um Mandasi – malawisches Fettgebäck
– zu backen. Zuvor haben wir im Unterricht besprochen welche
Zutaten man dafür braucht, wo man diese kaufen kann, wie man es
zubereitet, Kunden anlockt und es anschließend richtig verkauft.
Einige Kinder wurden am Nachmittag auf den Markt geschickt, andere
haben Töpfe, Kochlöffel, Schüsseln oder Feuerholz von zu Hause
geholt und dann haben wir uns alle zusammen in dem Schulgarten
versammelt, um dort in Gruppen über dem Feuer Mandasi zu backen.
Jeder konnte seine Talente zur Geltung bringen: Einige backten
lieber, andere hatten ein Talent dafür den Kunden ein schönes Lied
vorzusingen, sodass er sich viele Mandasi kauft!! Ich habe bei
dieser Beschäftigung mit den Kindern wirklich viel von ihr gelernt,
und wenn man die Kinder studenland beim Mandasibacken beaufsichtigt,
vergisst man das Rezept bestimmt nicht so schnell. Was ich
erstaunlich finde, ist, dass die Kinder die Mandasi nach Augenmaß
zubereiten und sie trotzdem immer sehr gut werden. Meine waren selbst
mit genauen Angaben am Anfang nicht so gut, wie die der Kinder nach
Augenmaß! So haben wir alle Mandasi, die eigentlich zum Verkauf für
zwei Tage gedacht waren, in wenigen Stunden verkauft, worauf die
Kinder sehr stolz waren und nun bin ich natürlich stolz auf sie!
Zu meiner großen
Überraschung hat eine meiner Klassen mit dem Klassenlehrer dann noch
eine Abschiedsparty für mich gemacht. Sie haben das gut eingefädelt,
da ein Kind zu mir kam und mir gesagt hat, es möchte sich im
Klassenraum persönlich von mir verabschieden und nochmal mit mir
sprechen. Also bin ich mit dem Kind in die Klasse gegangen und dort
saßen alle Kinder aus meiner Klasse: Sie hatten Essen und Trinken
dabei und haben für den Klassenlehrer und mich sogar etwas gekocht!
Vor, nach und während des Essens wurde gebetet, gesungen, getanzt
und es wurden sogar Dramen von den Kindern vorgeführt, die sie für
diesen Tag vorbereitet haben. Natürlich hatte ich auch genug Zeit
mit den Kindern zu sprechen und Späße zu machen. Zum Ende hin hat
der Klassenlehrer der Klasse für das schöne Schuljahr gedankt, sie
für all die guten Sachen, wie z.B. Ihr gutes Verhalten in der
Schule, gelobt und ihnen Ratschläge gegeben, wie das nächste
Schuljahr gelingen kann. Dann hat er total nett über meinen
Unterricht gesprochen und darüber, was die Kinder in ihm gelernt
haben und ihnen gesagt, dass sie das nie vergessen sollen, weil es
wichtig für das ganze Leben ist. Ich war in diesem Moment sehr
gerührt, da es wirklich schön war! Anschließend konnte auch ich
einige Worte an die Kinder richten und danach hat der Lehrer gefragt,
welches Kind mir etwas sagen möchte und eine Reihe Kinder sind
aufgestanden um den Unterricht zu loben, mir zu sagen, dass sie mich
vermissen werden usw. Anschließend haben sie das Lied „Till we
meet again“ gesungen, in dem es darum geht, dass Gott die
fortgehende Person beschützen soll, bis man sich wiedersieht. Die
Party kam wirklich von Herzen und war gerade deshalb so toll und
unvergesslich.
Kurz darauf kam dann
der Abschied von der ganzen Schule. Kinder als auch Lehrer haben
Dramen, Lieder und Tänze aufgeführt und sich wirklich viel Mühe
gegeben. Obwohl Anne und ich zum Schluss dieser bunten Veranstaltung
eine Abschlussrede gehalten haben, ist keine Abschiedsstimmung
aufgekommen, da es durch die ganzen Aktivitäten so fröhlich und
heiter wurde. Als dann am Tag darauf, dem letzten Schultag, die
Eltern mit ihren Kindern in die Schule kamen, um die Zeugnisse zu
unterschrieben, ist mir endgültig klar geworden, dass ich die Kinder
heute das letzte Mal sehe: Ein Mädchen hat geweint, andere haben mir
ein Geschenk gegeben oder noch ein Foto mit mir gemacht – es war
alles ziemlich emotional. Als schon fast alle Kinder nach Hause
gegangen sind, habe ich ein Mädchen noch bis auf den Weg begleitet
und da hat sie zu mir hochgeschaut und traurig gefragt: „Will we
not see each other again?“ - „Werden wir uns nicht mehr
wiedersehen?“ In dem Moment kamen mir wirklich die Tränen, weil
mir klargeworden ist, wie schwierig es für mich aber auch die Kinder
ist, sich immer wieder mit jemandem anzufreunden und sich dann nach
einem Jahr verabschieden zu müssen! Ich habe versucht mich
zusammenzureißen und ihr gesagt, dass wir uns bestimmt wiedersehen
werden.
Nach all den
frühzeitigen Verabschiedungen begannen die Ferien, in denen ich
zunächst einmal nach Nkhata Bay, in den Norden Malawis, gereist bin,
um noch einmal Zeit mit Freunden, die ich in vorherigen Ferien dort
getroffen habe, zu verbringen. Ich habe dort bei einer malawischen
Freundin gewohnt, die zuvor in Madisi gelebt hat und es war wirklich
eine der besten Erfahrungen in diesem Jahr! Was ich daran so toll
fand, mit ihr zusammen zu wohnen war, dass sie in einem typisch
malawischen Dorf lebte und wir wirklich malawisch gelebt haben: Wir
haben auf einer Strohmatte geschlafen und sind morgens um 5
aufgestanden, um Feuer für Tee aufzusetzen und sind anschließend im
See baden, Geschirr spülen und duschen gewesen. Wir saßen oft vor
ihrem Haus und haben einfach mit den Nachbarn Zeit verbracht, haben
zusammen gekocht, uns um die Nachbarskinder gekümmert. Es war
wirklich das einfache Leben. Aber ich habe gelernt, wie die Menschen
aus wenig viel machen und trotzdem irgendwie ziemlich glücklich
sind.
Nach diesen Ferien
hatte ich noch ca. 1 ½ Wochen in Malawi, in denen Anne und ich uns
hauptsächlich mit Leuten aus Madisi getroffen haben – dem Personal
des Projekts oder aber Leuten, die wie während unseres Jahres
kennengelernt haben. Es war toll, alle noch einmal zu Hause zu
besuchen. Die Zeit verging wirklich viel, viel zu schnell!!!
Obwohl
Abschiednehmen niemals leicht ist und es unglaublich schwierig ist,
einfach so Kulturen für ein Jahr zu tauschen und obwohl man nach so
einem Jahr irgendwie zwei Heimaten hat und nicht an beiden zu
gleicher Zeit sein kann, bin ich so unglaublich dankbar für dieses
Jahr. Ich habe so viele lehrreiche Erfahrungen gemacht und mein
Horizont hat sich unglaublich erweitert. Ich habe das Gefühl, jetzt
mit anderen Augen weiterzuleben – ich sehe viele Dinge anders als
vor Malawi. Oft denke ich z.B. daran, welche Auswirkungen mein
Handeln auf die ganze Welt und nicht nur auf mich persönlich hat.
Das habe ich zuvor nicht gemacht, aber es hilft mir sehr, mich als
Bewohnerin „einer Welt“ zu sehen und zu fühlen und ich merke,
was für Auswirkungen mein Handeln für andere Menschen auf anderen
Teilen der Welt, aber auch im direkten Umwelt, hat und wieviel
verzwickter als man denkt die Welt wirklich ist.
Das mitarbeiten in
dem Projekt in Madisi, der Grundschule, hat mich noch einmal neu dazu
motiviert, Lehrerin zu werden und so werde ich nun Grundschullehramt
in Dortmund studieren. Wer weiß? Villeicht kehre ich als Lehrerin ja
nochmal nach Malawi zurück! Schön wär' es.
Tionana :-) Wir
sehen uns! Denn man sieht sich immer öfters im Leben.
Nicole